Dienstag, 6. Dezember 2016

Talk oder Gespräch?

Anne Will, ARD 04.12.2016, Europa auf der Kippe - Welche Werte einen uns noch?  hier geht's zur Sendung

Mit:
Ursula von der Leyen (CDU)
Bundesministerin der Verteidigung
Wolfgang Sobotka (ÖVP)
Bundesminister für Inneres in Österreich
Ulrike Guérot
Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung
Dirk Schümer
Europa-Korrespondent für "DIE WELT"

Talk oder Gespräch?

Diskussionserprobte Gäste – hitzige Debatte – Fragen nach konkreten Lösungsansätzen durch die Moderation abgeblockt – Allgemeinplätze und Worthülsen – eine Diskussion, die im Wesentlichen in der Problembeschreibung verharrt  

Ursula von der Leyen beklagt, "dass es nicht gelungen ist, die komplexen Antworten einfach und verständlich 'rüberzubringen." In seiner Wiederholung droht diese Botschaft zur Hülse zu werden. Eine mögliche Lesart seitens der Fernsehzuschauer bzw. Wähler: "(meine) Kritik am gegenwärtigen europäischen Zustand ist auf (meine) Begriffsstutzigkeit zurückzuführen?!"

Dirk Schümer fordert als Journalist konkrete Antworten auf konkrete Probleme, z.B. in Italien. Nach einem missglückten Einstieg zur Wahl in Österreich ist er dem Zuschauer am nächsten. Wähler werden in Umfragen, Referenden und bei Wahlen große Fragen i.d.R. mit ihrem individuellen Schicksal verknüpfen.

Ulrike Guérots konkreter Beitrag: "Wie muss ein Europa aussehen, das funktioniert?" – wird von Anne Will mit der Anmoderation zum nächsten Einspieler zu weiteren europäischen rechtsnationalen Tendenzen unterbrochen. Die Debatte gelangt damit nicht über die Problembeschreibung hinaus. An diesem Punkt hätte der "Talk" in ein echtes Gespräch münden können, das Einblick in komplexe Hintergründe gibt und mögliche Lösungen skizziert; in eine Debatte, in der Kritik artikuliert und entdämonisiert wird. Statements die keinen nachvollziehbaren Bezug anbieten, sind bloße Absichtserklärungen: "Europa wird nur funktionieren, wenn die Staaten es auch wollen." (von der Leyen) Ein zweiter Versuch Guérots, hier konkret zu werden und die Europäische Struktur, ein fehlendes "Initiativrecht" des Parlaments zu diskutieren, wird von der Moderatorin erneut mit einer Zwischenfrage gestoppt. Was folgt: "Wir brauchen eine (einheitliche) Demokratie."


Eine vertane Chance, um Allgemeinplätze und Worthülsen an der Realität zu prüfen und zu entlarven; denn sie zementieren häufig Missverständnisse und  sorgen für Verärgerung.

Freitag, 14. Oktober 2016

Zweites Fernsehduell der US-Präsidentschaftskandidaten, 09. Oktober 2016
Gäste: Hilary Clinton (Demokraten) & Donald Trump (Republikaner)

Kleidung:
Clinton: Hosenanzug schwarz-weiß mit weißem Oberteil – auffällig, aber nicht dominierend
Trump: dunkler Anzug – weißes Hemd – rote unifarbene Krawatte

Inhalt:
Fortsetzung der Debatte vom 27. September als sog. "Town-Hall-Meeting" – Arena, in der sich die Kandidaten etwas freier bewegen und direkten Kontakt zum Publikum aufnehmen konnten – Moderatorin, Moderator – Fragen aus dem Publikum via Facebook oder live im Studio – Themen: Video mit sexistischen Äußerungen Trumps, Einwanderungspolitik, Steuersenkung bzw. -gesetzgebung und Krieg in Syrien – z.T. richteten sich die Fragen konkret an einen der beiden Kandidaten – Beantwortung folgte im Wechsel – Zeitlimit: 2 Minuten

Körperhaltung:
Clinton: aufrechter, fester und sicher wirkender Stand – direkte Ansprache der anwesenden Zuschauern – nimmt sich den Raum – steht frei oder lehnt am Stuhl, wenn Trump spricht – wirkt weniger aggressiv als ihr Kontrahent – strahlt große Präsenz und Ruhe aus –souverän auch bei wiederholten persönlichen Angriffen – freie und selbstverständliche Gestik folgt den Ausführungen
Trump: versucht den gesamten Raum zu dominieren – ist ständig in Bewegung – kontrolliert das "Revier" – Manöver, um von Clintons Äußerungen abzulenken – Versuch, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – auch die der Kamera, die ihm folgen (muss) – verletzt die räumliche Sphäre seiner Kontrahentin – führt das Mikrofon häufig zum Mund – "droht" mit Unterbrechung bzw. unterbricht tatsächlich – versucht damit Druck auf Gegenkandidatin und Moderatoren auszuüben

Mimik:
Clinton: fokussiert – Mimik folgt dem Gesagten – hat ihre Gesichtszüge gut im Griff, ohne verkrampft zu wirken – lässt sich auch dieses Mal nicht provozieren
Trump: weitgehend unbewegte Mimik – durchgängig gleichbleibender Gesichtsausdruck – angespannt – taxierender Blick – Spannung im Augenbereich

Stimme:
Clinton: feste, manchmal heisere Stimme – klare Diktion – scheut sich nicht lauter zu werden u. ihre Botschaft zum Abschluss zu bringen bzw. gegen Trump anzugehen
Trump: heiser – bleibt in einer Lautstärke – versucht auch die Moderatoren zu übertönen – stimmliches Dominanzverhalten  

Rhetorik:
Clinton: kurze, klare Sätze – konkretisiert mit Beispielen – klärt auf mit Belegen – nutzt das Stilmittel der Pause, auch wenn Trump droht in die Lücke zu stoßen – bleibt bei Ihrer Sachlichkeit, ungeachtet der Versuche Trumps, zu emotionalisieren u. zu provozieren – bietet konkrete Inhalte – schlägt immer wieder rhetorisch und inhaltlich den Bogen zur gestellten Frage
Trump: ausschweifende, assoziative Sprechweise – keine Antwort auf konkrete Fragen, trotz mehrfacher Aufforderungen seitens der Moderatoren – beharrt auf seinen Behauptungen und Anschuldigungen – "she [Clinton]has a bad judgement" – hat inhaltlich wenig zu bieten – keine Argumentation auf der Sachebene möglich – unablässiger Redefluss – Strategie, um den Gegner soll "an die Wand zu reden"

Fazit:
Hilary Clinton, gut vorbereitet, stemmt sich gegen das Niveau Trumps, das er ihr aufzwingen will und lässt die Zermürbungsstrategie Trumps v.a. zum Ende der Sendung ins Leere laufen. Clinton ignoriert allzu abenteuerliche Anwürfe, wie die Drohung, sie für die unverschlüsselt versendeten e-Mails ins Gefängnis zu bringen und vermeidet die gefährliche Rechtfertigungsfalle, in die sie ihr Gegner mit seinem Beharren auf Behauptungen und Anschuldigungen zu locken versucht. Ein oder zwei Klarstellungen genügen, auf eine Wiederholung wird verzichtet. Einige Attacken Trumps kann Clinton zu ihrem Vorteil nutzen. Dem Vorwurf der Untätigkeit bei Beschlüssen zur Steuergesetzgebung begegnet die Senatorin mit ihrem damaligen, nachweisbaren Abstimmungsverhalten und führt auch den republikanischen Präsidenten George W. Bush ins Feld, unter dessen Ägide die von Trump kritisierten Entscheidungen gefallen sind. Mit ihrer Haltung bleibt Clinton souverän und "sitzt" das dominante Revierverhalten Trumps lächelnd aus, nimmt sich aber ihrerseits den Raum, wenn sie ihn braucht.
Trump zeigt sich minimal besser vorbereitet und gibt sich während des zweiten Duells weniger Blößen. Sein assoziativer Redestil, der die jeweils konkrete Frage ignoriert, neigt zum Schwadronieren. Der ein oder andere Witz gelingt, verblasst aber auch schnell. Auch dieses Mal geht es ihm nicht um einen inhaltlichen Schlagabtausch, sondern um die Behauptung und Verteidigung eines Reviers, das mit der Veröffentlichung seiner sexistischen Äußerungen und der Distanzierung einiger republikanischer Weggenossen kleiner wird.
Seine Nähe zu Putins Politik und die Behauptung, das russisch-syrische Bombardement Aleppos würden allein dem IS-Terroristen gelten, hätte von Clinton besser genutzt werden können.

Am Ende spricht Trump wohl echte Anerkennung aus, wenn er zugibt. die Kämpfernatur seiner Kontrahentin zu schätzen. Umgekehrt bleibt Clinton höflich und vermeidet die offene Lüge, indem sie elegant den Kinder Trumps ihre Bewunderung  ausspricht, was indirekt (positive) Rückschlüsse auf den Vater zuließe.

Donnerstag, 29. September 2016

Fernsehduell der US-Präsidentschaftskandidaten
Gäste: Hillary Clinton (Demokraten) & Donald Trump (Republikaner)

Kleidung:
Clinton: roter Hosenanzug – hochgeschlossener kurzer Blazer – Rot passend zur Haarfarbe – fördert die Präsenz – diskreter Goldschmuck – vorteilhaftes, aber diskretes Makeup
Trump: dunkler Anzug – weißes Hemd – blaue unifarbene Krawatte - neutral

Inhalt:
90 Minuten Debatte zu Amerikas Richtung, Wirtschaft und Sicherheit – jeder Kandidat hat im Wechsel nach der Fragestellung 2 Minuten Zeit für ein Eingangsstatement – danach Diskussion – Trump wendete sich im Vorfeld gegen einen "Faktencheck" – Clinton hat einen auf ihrer Webseite einrichten lassen – sorgt für Transparenz und Glaubwürdigkeit

Körpersprache:
Clinton: aufrechter, fester und sicher wirkender Stand – steht meist frei vom Rednerpult – Haltung und Kopf bleiben gerade – strahlt große Präsenz und Souveränität aus – freie und selbstverständliche Gestik – folgt den Ausführungen – wirkt authentisch
Trump: stützt sich am Pult ab – Schultern fallen nach vorn – Standbein- Spielbeinhaltung wird begünstigt – Haltung wirkt bequem – Kopfhaltung schräg – könnte in diesem Kontext auch als überheblich wahrgenommen werden

Mimik:
Clinton: konzentriert und fokussiert bei wichtigen Statements – lächelt persönliche Angriffe und Behauptungen Trumps gelegentlich strahlend weg – bleibt neutral beim Zuhören – zeigt, dass sie sich nicht provozieren lassen will
Trump: hört zu – weitgehend unbewegte Mimik – durchgängig gleichbleibender Gesichtsausdruck – lächelt nicht – will sich nicht wirklich einlassen

Stimme:
Clinton: feste Stimme – klare Aussprache – betont entscheidende Punkte – wehrt sich gegen Unterbrechungen seitens Trumps, indem sie selbst lauter wird
Trump: heiserer Ton – laute Stimme, die häufig eingesetzt wird, um seine Kontrahentin oder den Moderator zu übertönen – nutzt Variationen, um Wichtiges hervorzuheben

Rhetorik:
Clinton: kurze, klare Sätze – wird sehr konkret – Beispiele, Lösungsansätze werden klar benannt – platziert drei Kernbotschaften in den ersten 1 ½ Minuten – attackiert Trump auf seinem Gebiet – adressiert ihre Botschaften an seine Anhänger, den Mittelstand oder ärmere Bevölkerungsschichten – will "Small Business" mit Investitionen fördern und das "Big Business" nicht aus der Steuerverantwortung entlassen
Trump: ausschweifende Sätze – inhaltliche Wiederholung– bietet wenig Konkretes und Konstruktives  – bleibt im Allgemeinen – nur eine Botschaft: Steuersenkungen für Unternehmen – Moderator muss mehrmals an die eigentliche Fragestellung erinnern – rettet sich häufig in den persönlichen Angriff

Fazit:
Hilary Clinton ist extrem gut vorbereitet und die Schwäche der vergangenen Tage nicht mehr zu spüren. Ihre langjährige Erfahrung als Politikerin zeigt sich in ihrer Souveränität. Direkte Anschuldigungen (z.B. e-Mail-Affaire) wird mit einem Schuldeingeständnis gekontert. Trump bleibt dagegen bei Nachfragen zu seiner Steuermoral Staat und Wählern oder seiner Zahlungsmoral mittelständischen Dienstleistern gegenüber nur der rechtfertigende Angriff. Clinton attackiert ihren Gegner in seiner Strategie, Sprecher des "kleinen Mannes" zu sein und wirkt authentisch, indem sie u.a. ihre Herkunft aus dem Mittelstand ins Feld führt – während sie Trump mit der Nennung von 14 Mio $ Startkapital, das er durch seinen Vater erhalten hat, dem "Big Business" zugeordnet werden kann. Sein wiederholter Hinweis "I have property there" wirkt wenig überzeugend beim Werben um Wählerstimmen, z.B. aus dem Kreis z.B. arbeitsloser Amerikaner.
Clinton startet mit einem starken ersten Statement, das konkret Zukunftsaussichten beschreibt: mit Investitionen u.a. in erneuerbare Energien sollen neue Jobs geschaffen werden –  mit Einnahmen aus Steuern großer Unternehmen. Clinton führt die Wirtschaftskrise als verfehlte Wirtschaftspolitik an, die v.a. den Abstieg des Mittelstands bewirkt hat. Auf den Vorwurf und den Verweis auf frühere Äußerungen, dass er davon profitiert hat, weiß Trump nur zu antworten: "That's business."

Trump konzentriert sich dagegen im Wesentlichen auf die ausführliche und wiederholte Beschreibung der Probleme und betont damit das Negative. Bietet außer pauschal angekündigten Steuersenkungen wenig Konstruktives. Eine ruhige und inhaltlich gut vorbereitete Clinton steht einem aufgeregten Trump gegenüber, was seine Position zusätzlich schwächt. Lange, assoziativ formulierte Sätze verstärken den Eindruck, dass der Kandidat der Republikaner sich während der Diskussion zunehmend in der Defensive befindet. Seine bei Wahlveranstaltungen bislang erfolgreiche Strategie, mit z.T. aggressiv vorgetragenen polemischen Behauptungen wenigstens für Unterhaltung zu sorgen, scheint an diesem Abend nicht aufgegangen zu sein.