Montag, 30. Januar 2017

Klare Statements vom Kanzlerkandidaten Martin Schulz.

Anne Will, ARD, 29.Januar 2017, Der Kandidat – Können Sie Kanzler, Herr Schulz? hier geht's zur Sendung
Gast: Martin Schulz, SPD

Kleidung: Dunkler Anzug - helles Hemd - blaue Krawatte mit weißen Punkten lockert etwas auf

Inhalt: Kanzlerkandidatur von Martin Schulz

Körpersprache: gelassene offene Sitzhaltung mit geöffnetem Jackett - sparsame und natürliche Gestik, die das Gesagte unterstreicht – Hände ruhen locker ineinander gelegt – Kopf bleibt gerade

Mimik: konzentriert – hält den Blickkontakt zur Moderatorin wie zur Gesprächspartnerin im Publikum – gelegentlich wird die Ungeduld mit der häufig unterbrechenden Moderatorin an den gespannteren Gesichtszügen erkennbar

Stimme: etwas rau – sehr pointiert in der Betonung entscheidender Botschaften

Rhetorik: sehr gut vorbereitet - kurze klare Sätze, geeignet, um als Statement in den Printmedien zitiert zu werden: "Ich versuche, die Probleme, die wir haben beim Namen zu nennen. In einer Sprache, von der ich den Eindruck habe, dass die Menschen das verstehen. Vielleicht ist das neu in der Politik [...].Ich bin gefühlt, als auch faktisch der bessere Kandidat[...].Ich will gewinnen." – selten Füllwörter oder Ähm-Pausen – bleibt im Wesentlichen bei der Problembeschreibung – (noch) keine konkreten Lösungen -  eher Absichtserklärungen

Fazit: Martin Schulz präsentiert sich als entschlossener Kanzlerkandidat, der rhetorisch gut vorbereitet, jedoch Vieles von dem wiederholt, was er zuvor in seiner Antrittsrede im Willy-Brandt-Haus genannt hat. Sein Bekenntnis zum "Klartext" löst er mit authentisch dem Bekenntnis ein: "Ich will gewinnen". Auf das Glatteis, sich bei der Höhe des Mindestlohns festzulegen, begibt sich der Kanzlerkandidat nicht und entzieht sich dem beharrlichen Versuch Anne Wills, eine Zahl zu erzwingen. Gleichzeitig macht er transparent, dass eine Festlegung auf einen Euro-Betrag in Zukunft möglicherweise einem gebrochenen Wahlversprechen gleichkäme. Ein oder zwei konkrete Lösungsansätze an anderer Stelle hätten ihn in seiner Glaubwürdigkeit jedoch gestärkt. Auf die häufigen Unterbrechungen der Moderatorin, die Schulz in eine simple Opposition zu Sigmar Gabriel zu zwingen versucht, reagiert er zunehmend ungeduldig und wehrt sich: "[...] und da habe ich eine Anne Will dazwischen sitzen, die mir nach jedem dritten Satz ins Wort fällt [...]."

Dienstag, 6. Dezember 2016

Talk oder Gespräch?

Anne Will, ARD 04.12.2016, Europa auf der Kippe - Welche Werte einen uns noch?  hier geht's zur Sendung

Mit:
Ursula von der Leyen (CDU)
Bundesministerin der Verteidigung
Wolfgang Sobotka (ÖVP)
Bundesminister für Inneres in Österreich
Ulrike Guérot
Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung
Dirk Schümer
Europa-Korrespondent für "DIE WELT"

Talk oder Gespräch?

Diskussionserprobte Gäste – hitzige Debatte – Fragen nach konkreten Lösungsansätzen durch die Moderation abgeblockt – Allgemeinplätze und Worthülsen – eine Diskussion, die im Wesentlichen in der Problembeschreibung verharrt  

Ursula von der Leyen beklagt, "dass es nicht gelungen ist, die komplexen Antworten einfach und verständlich 'rüberzubringen." In seiner Wiederholung droht diese Botschaft zur Hülse zu werden. Eine mögliche Lesart seitens der Fernsehzuschauer bzw. Wähler: "(meine) Kritik am gegenwärtigen europäischen Zustand ist auf (meine) Begriffsstutzigkeit zurückzuführen?!"

Dirk Schümer fordert als Journalist konkrete Antworten auf konkrete Probleme, z.B. in Italien. Nach einem missglückten Einstieg zur Wahl in Österreich ist er dem Zuschauer am nächsten. Wähler werden in Umfragen, Referenden und bei Wahlen große Fragen i.d.R. mit ihrem individuellen Schicksal verknüpfen.

Ulrike Guérots konkreter Beitrag: "Wie muss ein Europa aussehen, das funktioniert?" – wird von Anne Will mit der Anmoderation zum nächsten Einspieler zu weiteren europäischen rechtsnationalen Tendenzen unterbrochen. Die Debatte gelangt damit nicht über die Problembeschreibung hinaus. An diesem Punkt hätte der "Talk" in ein echtes Gespräch münden können, das Einblick in komplexe Hintergründe gibt und mögliche Lösungen skizziert; in eine Debatte, in der Kritik artikuliert und entdämonisiert wird. Statements die keinen nachvollziehbaren Bezug anbieten, sind bloße Absichtserklärungen: "Europa wird nur funktionieren, wenn die Staaten es auch wollen." (von der Leyen) Ein zweiter Versuch Guérots, hier konkret zu werden und die Europäische Struktur, ein fehlendes "Initiativrecht" des Parlaments zu diskutieren, wird von der Moderatorin erneut mit einer Zwischenfrage gestoppt. Was folgt: "Wir brauchen eine (einheitliche) Demokratie."


Eine vertane Chance, um Allgemeinplätze und Worthülsen an der Realität zu prüfen und zu entlarven; denn sie zementieren häufig Missverständnisse und  sorgen für Verärgerung.

Freitag, 14. Oktober 2016

Zweites Fernsehduell der US-Präsidentschaftskandidaten, 09. Oktober 2016
Gäste: Hilary Clinton (Demokraten) & Donald Trump (Republikaner)

Kleidung:
Clinton: Hosenanzug schwarz-weiß mit weißem Oberteil – auffällig, aber nicht dominierend
Trump: dunkler Anzug – weißes Hemd – rote unifarbene Krawatte

Inhalt:
Fortsetzung der Debatte vom 27. September als sog. "Town-Hall-Meeting" – Arena, in der sich die Kandidaten etwas freier bewegen und direkten Kontakt zum Publikum aufnehmen konnten – Moderatorin, Moderator – Fragen aus dem Publikum via Facebook oder live im Studio – Themen: Video mit sexistischen Äußerungen Trumps, Einwanderungspolitik, Steuersenkung bzw. -gesetzgebung und Krieg in Syrien – z.T. richteten sich die Fragen konkret an einen der beiden Kandidaten – Beantwortung folgte im Wechsel – Zeitlimit: 2 Minuten

Körperhaltung:
Clinton: aufrechter, fester und sicher wirkender Stand – direkte Ansprache der anwesenden Zuschauern – nimmt sich den Raum – steht frei oder lehnt am Stuhl, wenn Trump spricht – wirkt weniger aggressiv als ihr Kontrahent – strahlt große Präsenz und Ruhe aus –souverän auch bei wiederholten persönlichen Angriffen – freie und selbstverständliche Gestik folgt den Ausführungen
Trump: versucht den gesamten Raum zu dominieren – ist ständig in Bewegung – kontrolliert das "Revier" – Manöver, um von Clintons Äußerungen abzulenken – Versuch, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – auch die der Kamera, die ihm folgen (muss) – verletzt die räumliche Sphäre seiner Kontrahentin – führt das Mikrofon häufig zum Mund – "droht" mit Unterbrechung bzw. unterbricht tatsächlich – versucht damit Druck auf Gegenkandidatin und Moderatoren auszuüben

Mimik:
Clinton: fokussiert – Mimik folgt dem Gesagten – hat ihre Gesichtszüge gut im Griff, ohne verkrampft zu wirken – lässt sich auch dieses Mal nicht provozieren
Trump: weitgehend unbewegte Mimik – durchgängig gleichbleibender Gesichtsausdruck – angespannt – taxierender Blick – Spannung im Augenbereich

Stimme:
Clinton: feste, manchmal heisere Stimme – klare Diktion – scheut sich nicht lauter zu werden u. ihre Botschaft zum Abschluss zu bringen bzw. gegen Trump anzugehen
Trump: heiser – bleibt in einer Lautstärke – versucht auch die Moderatoren zu übertönen – stimmliches Dominanzverhalten  

Rhetorik:
Clinton: kurze, klare Sätze – konkretisiert mit Beispielen – klärt auf mit Belegen – nutzt das Stilmittel der Pause, auch wenn Trump droht in die Lücke zu stoßen – bleibt bei Ihrer Sachlichkeit, ungeachtet der Versuche Trumps, zu emotionalisieren u. zu provozieren – bietet konkrete Inhalte – schlägt immer wieder rhetorisch und inhaltlich den Bogen zur gestellten Frage
Trump: ausschweifende, assoziative Sprechweise – keine Antwort auf konkrete Fragen, trotz mehrfacher Aufforderungen seitens der Moderatoren – beharrt auf seinen Behauptungen und Anschuldigungen – "she [Clinton]has a bad judgement" – hat inhaltlich wenig zu bieten – keine Argumentation auf der Sachebene möglich – unablässiger Redefluss – Strategie, um den Gegner soll "an die Wand zu reden"

Fazit:
Hilary Clinton, gut vorbereitet, stemmt sich gegen das Niveau Trumps, das er ihr aufzwingen will und lässt die Zermürbungsstrategie Trumps v.a. zum Ende der Sendung ins Leere laufen. Clinton ignoriert allzu abenteuerliche Anwürfe, wie die Drohung, sie für die unverschlüsselt versendeten e-Mails ins Gefängnis zu bringen und vermeidet die gefährliche Rechtfertigungsfalle, in die sie ihr Gegner mit seinem Beharren auf Behauptungen und Anschuldigungen zu locken versucht. Ein oder zwei Klarstellungen genügen, auf eine Wiederholung wird verzichtet. Einige Attacken Trumps kann Clinton zu ihrem Vorteil nutzen. Dem Vorwurf der Untätigkeit bei Beschlüssen zur Steuergesetzgebung begegnet die Senatorin mit ihrem damaligen, nachweisbaren Abstimmungsverhalten und führt auch den republikanischen Präsidenten George W. Bush ins Feld, unter dessen Ägide die von Trump kritisierten Entscheidungen gefallen sind. Mit ihrer Haltung bleibt Clinton souverän und "sitzt" das dominante Revierverhalten Trumps lächelnd aus, nimmt sich aber ihrerseits den Raum, wenn sie ihn braucht.
Trump zeigt sich minimal besser vorbereitet und gibt sich während des zweiten Duells weniger Blößen. Sein assoziativer Redestil, der die jeweils konkrete Frage ignoriert, neigt zum Schwadronieren. Der ein oder andere Witz gelingt, verblasst aber auch schnell. Auch dieses Mal geht es ihm nicht um einen inhaltlichen Schlagabtausch, sondern um die Behauptung und Verteidigung eines Reviers, das mit der Veröffentlichung seiner sexistischen Äußerungen und der Distanzierung einiger republikanischer Weggenossen kleiner wird.
Seine Nähe zu Putins Politik und die Behauptung, das russisch-syrische Bombardement Aleppos würden allein dem IS-Terroristen gelten, hätte von Clinton besser genutzt werden können.

Am Ende spricht Trump wohl echte Anerkennung aus, wenn er zugibt. die Kämpfernatur seiner Kontrahentin zu schätzen. Umgekehrt bleibt Clinton höflich und vermeidet die offene Lüge, indem sie elegant den Kinder Trumps ihre Bewunderung  ausspricht, was indirekt (positive) Rückschlüsse auf den Vater zuließe.